Baller & Baller in Zürich
Die Ausstellung VISITING. Inken Baller & Hinrich Baller, Berlin 1966 – 1989 kann bis zum 26. Oktober 2024 im Architekturforum Zürich besucht werden. Mit Hilfe diverser Medien werden ausgewählte Arbeiten des bis 1989 gemeinsam geführten und preisgekrönten Berliner Architekturbüros präsentiert. Das junge Kurator*innen-Kollektiv ufoufo hatte sich bereits während dem Studium mit Projekten von Inken und Hinrich Baller auseinandergesetzt. In Zürich öffnen sie die Ausstellungsinstallation nun zum vierten Mal für Interessierte.
Text: Moana Ühlein, 24.09.2024
Nach Berlin, Hamburg und Kassel ist VISITING. Inken Baller & Hinrich Baller, Berlin 1966 – 1989 nun auch in Zürich zu sehen. Die Ausstellung entstand 2022 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturzentrum (DAZ) in Berlin. Sie basiert auf einem Forschungsprojekt, an dem die Kurator*innen bereits während dem Studium an der Universität der Künste Berlin arbeiteten. Auf der Suche nach Beispielen für qualitativen Wohnraum, abseits von Spekulationsobjekten, stoss das Kollektiv auf Projekte von Inken Baller und Hinrich Baller. Schnell entwickelten sich die Bauten zu wichtigen Referenzen der jungen Architekt*innen.
Da in der Literatur und auf digitalen Plattformen kaum Informationen aufzufinden waren, begann ufoufo (urban fragment observatory) den direkten Kontakt mit den Bewohnenden zu suchen, um sich so ein Bild von deren Leben vor Ort machen zu können. Die aus 26 Wohnhäusern stammenden Fotografien der belebten Räume und die Interviews mit den Bewohnenden sind ein essenzieller Bestandteil der Ausstellung sowie der gleichnamigen (bereits ausverkauften) Begleitpublikation. Ziel war es, die Potenziale der Räume nachvollziehbar aufzuzeigen. Die aktuellen Fotografien und Interviews wurden mit Archivdokumenten (handgezeichneten Plänen, Fotografien, Zeitungsartikeln) sowie einem circa 45-minütigen Interview mit Inken und Hinrich Baller ergänzt.
Die Ballers hatten sich in den 1960er-Jahren an der TU Berlin kennengelernt. Er war damals als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, während sie an der TU studierte. Als Hinrich Baller Mitte der 1960er-Jahre in Hinwil bei Zürich mit dem Bau des Wohnhauses Bachmann beauftragt wurde, begann die Zusammenarbeit der beiden. Während Hinrich Baller zwischen Berlin und Hinwil pendelte, übernahm die junge Architektin Inken Baller die Bauleitung vor Ort – ein möglicher Grund für die Wahl Zürichs als weiteren Ausstellungsort.
Bei der Entwurfsmethodik der Ballers spielten Themen wie Transparenz in der Baupolitik, Beteiligung der Betroffenen, neue Formen der Bodenpolitik sowie die Kritik an den peripheren Grosswohnsiedlungen und innerstädtischen Flächensanierungen eine entscheinde Rolle.[1] Auch der Geist des Aufbruchs in den 1960er-Jahren beeinflusste ihre Praxis. In einem Interview zur Ausstellungseröffnung im DAZ betont Inken Baller, dass sie Wohnen als Grunderfahrung empfinde und es von Bedeutung sei, dass der Raum die Möglichkeit biete, sich individuell auszudrücken. Den Bewohnenden solle somit ein Anreiz gegeben werden, sich ausserhalb des Standards einzurichten.[2] So entstanden während der gemeinsamen Schaffensphase zwischen 1966 und 1989, primär im ehemaligen West-Berlin, markante Gebäude mit einer unverwechselbaren und stark polarisierenden Architektursprache.
In den unkonventionellen Wohnhäusern spielen vor allem die Bewohnenden eine zentrale Rolle. Darüber hinaus sollte eine Zersiedlung vermieden werden. Zudem galt es trotz Dichtedruck die Intakthaltung der Landschaft zu berücksichtigen. Elina Potratz fragte Inken und Hinrich Baller in einem Interview, das im Zuge der Verleihung des Grossen BDA-Preises 2023 durchgeführt wurde, wie die beiden Wohnwert definieren würden: «Ein Leben, wie wir es auch selbst leben wollten, und auch heute noch leben. Dass man das gesamte Leben erlebt, egal, wo man sich aufhält. Also nicht diese abgeschlossenen Kästchen, sondern beispielsweise Wohnküchen, die dementsprechend so organisiert sein sollten, dass die in der Küche tätige Person nicht mit dem Rücken zum Raum steht. […] Aber das sind alles keine besonders originellen Begriffe. Das Originelle daran ist nur, dass wir es gemacht haben. Dass wir es unter den Bedingungen, die wir vorgefunden haben, auch haben realisieren können.»[3] Inspiration hierfür waren Wohnungsgrundrisse des Altbaubestands, welche für die Umsetzung der Ballers auf eine reduzierte Form abstrahiert werden mussten.
Trotz der Strenge, den Regeln und dem Kostendruck, die der soziale Wohnungsbau mit sich bringt, machten es sich Inken und Hinrich Baller zur Aufgabe, nach Wohnqualität mit hellen Räumen samt grossen Fensteröffnungen zu streben. Die Integration von Gemeinschaftsräumen, die ungewöhnlichen Grundrisslösungen und die Durchlässigkeit der Räume sind auch heute noch von Relevanz. So stellt sich beim Besuch der Ausstellung im Architekturforum Zürich die Frage, was wir von dem Raumverständnis der Ballers für den heutigen Wohnungsbau lernen können. Vor allem aber zeigt sie uns, dass die Themen und Fragestellungen rund um soziale Architektur und die damit einhergehende Baupolitik noch lange nicht gelöst sind.
[1] Vgl. «Interpretationsräume – Inken Baller und Hinrich Baller im Gespräch mit Elina Potratz», Interview vom 28.8.2023, auf: bda-bund.de.
[2] «Visiting Inken Baller und Hinrich Baller, Berlin 1966 – 1989», auf: daz.de.
[3] Wie Fussnote 1.
> Mehr über die Ausstellung im Architekturforum Zürich unter af-z.ch.