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Aufleben einer handwerklichen Baukultur

Davon träumen derzeit viele Architekturschaffende; das bewies der grosse Andrang und das rege Interesse an der Veranstaltung «Gestaltung im Handwerk» gestern in der Schweizer Baumuster Centrale in Zürich mit organisiert von der Weiterbildungseinrichtung Haus für Farbe. Patrick Schmid von Schmid Schärer Architekten präsentierte die Gestaltung eines Wohnhauses am Müseliweg im Zürcher Quartier Höngg, bevor Bauleiter Benedikt Zweifel, Farbgestalter David Kleist, Naturgartengestalter Peter Richard, Schreiner Fabio Niederer und Baumeister Günter Klaus Einblick in die anspruchsvolle handwerkliche Umsetzung gaben.

Doch obschon deutlich wurde, dass alle Beteiligten trotz mancher Schwierigkeiten Freude am Projekt hatten und ihr grosses Flair für Gestaltung (endlich) ausleben konnten, blieb Patrick Schmid am Ende bei allem Enthusiasmus doch Realist: Das Haus sei kein Modell für alle Bauaufgaben.

 

Text & Bilder: Elias Baumgarten – 24.3.2017
Architekturfotos: Roman Keller

Patrick Schmid und sein Partner Roger Schärer hatten mit dem Wohnhaus am Müseliweg die Möglichkeit eine handwerkliche Baukultur wieder aufleben zu lassen und einem Team aus gestaltungsaffinen Handwerkern ein architektonische Perle zu verwirklichen – was sie besonders der Solvenz und Leidenschaft der Bauherrschaft verdanken. In der Schweizer Baumuster Centrale gab Schmid zunächst einen ausführlichen Einblick in den Entwurfsprozess, ehe die mitunter anspruchsvolle Umsetzung auf der Baustelle besprochen und diskutiert wurde.

 

Wenn ein Neubau nicht wie ein Neubau wirken soll
Das Haus auf dem länglichen Hanggrundstück sollte vorgeben, es sei schon immer da. Darum nahm das Architektenduo Anleihen bei Alvar Aaltos privatem Sommerhaus auf Muuratsalo und dem Red House des Arts and Crafts-Protagonisten William Morris vor. Zudem sollte ihre Gestaltung einen Link schaffen zwischen der südseitigen Aussicht auf die Stadt und dem nordseitigen Blick auf eine mächtige, alte Linde. Darum ist zeigt die Schnittfigur ein Raumkontinuum, das von Norden nach Süden durch das Gebäude gesteckt wurde. Schmid und Schärer legten überdies besonderen Wert auf die Komposition einer Raumsequenz, die sich mit diversen Treppen von der in den Hang geschnittenen Garage bis zum Ruheraum mit Sauna unter dem Dach durchs Haus schraubt. Resultat ist eine hohe räumliche Komplexität, die zu erfassen die Handwerker, wie Baumeister Günter Klaus betonte, vor eine grosse Herausforderung stellte. Und auch aussen barg das romantisch anmutende, scheinbar über lange Zeit gewachsene Arrangement unterschiedlicher Fensterformate, Erker, Kamine und einer Pergola etliche Schwierigkeiten, wie Benedikt Zweifel ergänzte.

 

Imperfekte Oberflächen?
Grauer Backstein aussen, unterschiedliche Bodenbeläge getrennt durch «Fugen» aus verschiedenen Natursteinen drinnen, dazu Putzoberflächen, welche die Räume wie «aus einem Block geschlagen» wirken lassen – die Oberflächen des Gebäudes waren für die Ausführenden sehr fordernd. Insbesondere der Wunsch der Architekten, alles alt und gewachsen wirken zu lassen, barg Probleme, denn eigentlich sei man sich gewohnt perfekt saubere Resultate abzuliefern, so Günter Klaus. Und Fabio Niederer ergänzte schmunzelnd eine Anekdote von der Baustelle: manch einer seiner Mitarbeiter hätte bis zum Schluss nicht richtig verstanden, dass die Putzoberflächen bereits fertig seien und wäre entsprechend grob damit umgegangen, hätte etwa ohne Bedenken seine Werkzeuge dagegen gelehnt.

 

Verantwortung für gestaltungsaffine Handwerker
Schmid und Schärers Gestaltung inszeniert besonders die alte Linde im oberen Teil der Parzelle, aufgrund ihrer pittoresken Qualität. Der Erhalt des Baumes nahe beim Haus stellte indes nicht nur Baumeister und -leiter aufgrund des resultierenden Platzmangelns vor Probleme, sondern machte auch die Gartengestaltung zu einer kniffligen Aufgabe. Die Architekten entschieden sich daher für eine unkonventionelle Vorgehensweise: kurzerhand schrieben sie einen Wettbewerb dafür aus, bei dem sich Winkler & Richard durchsetzen. Peter Richard sprach von einem Traumszenario, denn leider komme man bei klassischen Ausschreibungen viel zu selten in den Genuss selbst gestalten zu dürfen. Am Ende rechnete sich der Verantwortungsübertrag und die grossartige Gartenanlage punktet besonders mit «Recycling-Mauern» aus Abfällen als gestalterische Raffinesse.

 

Respektvoller Umgang und Kommunikation
Fabio Niederer, der mit seinem Team die von Patrick Schmid und Roger Schärer gestalteten Einbaumöbel baute, betonte die Wichtigkeit der iterativen Prozesse zwischen Architekturschaffenden und Handwerkern. Denn die auf den Zeichnungen einfach scheinenden Designs hätten sich als technisch durchaus schwer umzusetzen erwiesen. Dies sei nur in enger Zusammenarbeit und mit viel Kommunikation möglich gewesen. Gern, das wurde deutlich, hätte Niederer noch mehr Gestaltungsverantwortung übernommen und wäre noch früher in den Entwurfsprozess eingebunden worden. Indes herrschte grosse Einigkeit, dass ein respektvoller, ja freundschaftlicher, Umgang miteinander das Gelingen des Projekts mit ermöglicht hätten.

 

Wunsch und Wirklichkeit
Obwohl der Weg mitunter steinig war, antworteten alle Beteiligten auf die Zuschauerfrage, ob ihnen das Projekt schlussendlich Freude bereitet hätte, entschieden mit «ja». Doch Patrick Schmid trat etwas auf die Bremse und fügte an, das Projekt sei keineswegs ein Modell für alle Bauaufgaben. Vielmehr sei es ein besonderes Privileg eine solche Aufgabe auf den Tisch zu bekommen und heute nur mehr mit einer finanzstarken, begeisterungsfähigen Bauherrschaft möglich. Doch die Klärung der Frage nach den Baukosten wurde augenzwinkernd offen gelassen und auf ein privates Glas Wein vertagt.

 

> Mehr zu Alvar Aaltos Sommerhaus erfahren Sie in Dörte Kuhlmanns Essay «Aufstieg und Fall der Collage» in archithese 3.2016 Postmoderne – neu gelesen.

> Der amerikanische Architekt Ryan W. Kennihan setzt bei seinen Gestaltungen auf traditionelles Handwerk.

> Wir freuen uns, wird Patrick Schmid am Pecha Kucha-Abend im Rahmen der Serie archithese kontext im Schweizerischen Nationalmuseum teilnehmen. Mehr dazu bald auf unserer Homepage.

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