Architekturen des Wandels
Der britische Architekt Cedric Price hat sich in seinen Arbeiten mit den Wandlungsprozessen der Architektur des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt und diese in Projekte und Zukunftsszenarien überführt. Die nun vorliegende Werkbiografie Die Stadt und die Architektur des Wandels. Die radikalen Projekte des Cedric Price von Tanja Herdt beschreibt seine Arbeiten und die ihnen zugrunde liegenden sozialen, politischen und gesellschaftlichen Intensionen vor dem Hintergrund ihrer Zeit.
Text: Andrea Wiegelmann – 2.5.2017
Fotos: Martin Krammer
«Anti-Architekt»
Cedric Price studierte unter anderem an der Architectural Association School of Architecture (AA) in London. Dort traf er auf den Architekten und Stadtplaner Arthur Korn, einen Vertreter des Neuen Bauens, dessen Gedankengut Price beeinflusste. Seine Projekte atmen einen sozialliberalen Geist. Die Aneignung von Architektur durch den Nutzer ist eines seiner zentralen Themen.
Aktualität der 1960er-Jahre?
Die bei Park Books erschienene Publikation von Tanja Herdt, die sich mit eben diesen Absichten des Architekten befasst, wurden am vergangenen Mittwoch im Rahmen eines Podiumsgesprächs zwischen der Autorin, Marc Angélil (ETH Zürich) und Stanislaus von Moos (emeritierter Professor der Universität Zürich) unter Moderation von archithese-Chefredaktor Jørg Himmelreich in der Zürcher Buchhandlung Never Stop Reading vorgestellt. Dabei diskutierte die Runde die Haltung und Bedeutung von Price, der sich selbst als «Anti-Architekt» bezeichnete.
Jørg Himmelreich fragte, warum es sich lohnen, sich heute mit Price zu befassen. Tanja Herdt erläuterte daraufhin, dass sich dessen Wirken für sie dadurch auszeichne, dass er in einer Zeit, in der die Gesellschaft am Übergang in das Informations- und Dienstleistungszeitalter stand versuchte, die moderne Architektur neu zu denken und zu formulieren. Dies sei mit der aktuellen Situation, in der wir uns heute befinden durchaus vergleichbar, denn die rasch fortschreitende Digitalisierung würde einen nachhaltigen soziokulturellen Wandel evozieren.
Einladungen zur Aneignung
Price forderte seinerzeit eine ganzheitliche Sicht auf die Architektur, welche den Nutzer ins Zentrum rückt. Stanislaus von Moos umschrieb dieses Wirken, indem er Price als Architekten bezeichnete, der das Medium Architektur selbst zum Verschwinden bringen konnte. Seine Projekte – eines der bekanntesten ist der Fun Palace (Entwurf 1961) – seien daher auch Raumgitter beziehungsweise Strukturen, die Raum zur Aneignung bieten, jedoch nicht architektonisch ausgestaltet seien.
Für Marc Angélil ist das Wirken des Briten auch vor dem Hintergrund der Gesellschaft der 1960er-Jahre zu lesen, des sich entwickelnden Kapitalismus und die neoliberalen Wirtschaftsstrukturen der Zeit waren prägend. Wobei, so Tanja Herdt, er kein Anhänger neoliberaler Strukturen gewesen sei. Price sei vielmehr sozialliberal gewesen, mit einer beinahe romantischen Sicht auf den Menschen selbst. So seien auch seine Raumstrukturen Angebote der Selbstorganisation, die von einer harmonisch und im Einverständnis handelnden Gesellschaft ausgingen – sofern diese frei handeln könnte.
Auf gesellschaftlichen Wandel reagieren
Was an Price fasziniert und eine Beschäftigung auch heute lohnenswert macht – hier war sich die Runde einige – ist die Fähigkeit des Architekten, die Wandlungsprozess seiner Zeit wahrzunehmen, kritisch zu reflektieren und danach neue Projekte als konkrete Reaktion zu entwickeln.
Tanja Herdt, Die Stadt und die Architektur des Wandels. Die radikalen Projekte des Cedric Price, Zürich 2017.