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Architektur für Schweine

Ein wachsender Anteil der Gesellschaft lehnt die landwirtschaftliche Produktion in ihrer gegenwärtigen Ausprägung ab. Insbesondere über die Haltungs- und Schlachtbedingungen von Nutztieren wird eine kontroverse Debatte geführt. Dabei spielen Aspekte der Ökonomie und der Ökologie, des Tier- und des Umweltschutzes, der Ethik und eines bewussten Fleischkonsums eine wichtige Rolle. Konflikte zwischen diesen Aspekte müssen im öffentlichen Diskurs ausgehandelt werden. 

 

Redaktion: Stéphanie Hegelbach – 10.1.2020
Bilder: Aedes Architekturforum

 

Das Aedes Architekturforum setzt zum Auftakt seines 40. Jubiläumsjahres eine Reihe zur Rolle der Architektur bei der Entwicklung des ländlichen Raumes fort. Es präsentiert Architekturentwürfe für einen modernen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinehaltung, der den gestiegenen gesellschaftlichen Ansprüchen genügt. Diese entstanden im Rahmen eines Ideenwettbewerbs für Architekturstudierende der vier Hochschulen TU Braunschweig, TU Darmstadt, TU München und Universität Stuttgart. Die Entwurfsaufgabe umfasste einen Stall für 500 Mastschweine in artgerechter Haltung und darüber hinaus ein Schlachthaus sowie einen Hofladen für die Direktvermarktung. Bewertet wurden die architektonische und landschaftsplanerische Qualität, die Tiergerechtigkeit, die ökologische und ökonomische Qualität, Nachhaltigkeitsaspekte und das Kreativ- und Innovationsniveau.
 
Bereits Hugo Häring und Walter Gropius hatten sich mit dem Thema «Architektur für Schweine» beschäftigt – letzterer hatte aufgrund einer verlorenen Wette mit dem Porzellan-Produzenten Philip Rosenthal für dessen Hausschwein den «Palazzo RoRo» entworfen, der aber ebenso unrealisiert blieb wie Härings Schweinestall für Gut Garkau. Seinerzeit war das Tierwohl im Stall noch kein Thema für Politik, Gesellschaft und Planer, heute hört es nicht einmal an der Stalltür auf. Die Fleischproduktion und der Konsum von tierischen Produkten bedingen die Auseinandersetzung mit der Haltung, aber auch mit der Tötung von Tieren. Für die Haltung von Mastschweinen werden zunehmend Haltungsformen mit höheren Tierwohlstandards diskutiert und entwickelt. Dabei haben die Tiere zum Beispiel mehr Platz und Zugang zu unterschiedlichen Klimazonen. Gleichzeitig entstehen neue Zielkonflikte, denn bei der Haltung mit Ausläufen sind höhere Emissionen durch die größeren Flächen und die freie Lüftung der Ställe zu erwarten. Lange Zeit waren Schlachtungen vor Ort auch in handwerklichen Fleischereien üblich, doch ab Mitte des 19. Jahrhunderts zentralisierten viele deutsche Städte das Schlachthauswesen und heute werden die meisten Tiere in wenigen spezialisierten Großanlagen geschlachtet und zerlegt. Damit ging zwar eine enorme Verbesserung der hygienischen Verhältnisse einher, die Konzentration der Betriebe führte jedoch zu langen Transportwegen lebender Tiere, was für sie großen Stress bedeutet. Die Menschen verloren zunehmend den Bezug zu den Nutztieren und das Bewusstsein darüber, was sie essen und wo das Fleisch überhaupt herkommt.
 
Wenngleich deren Zahl beständig weiter sinkt, gibt es deutschlandweit noch viele landwirtschaftliche Familienbetriebe mit Schweinehaltung und handwerkliche Schlachtbetriebe. Diese zu bewahren und verstärkt ins öffentliche Bewusstsein zurückzuholen, könnte ein wichtiges Element bei dem Bemühen sein, durch regionale Strukturen und Wertschöpfungsketten zur Entwicklung ländlicher Räume beizutragen und gleichzeitig die Wege für Tiertransporte zu reduzieren. Das Aedes Architekturforum gewährt mit der Ausstellung der Studentenentwürfe Einblicke in die Typologie von Ställen und Schlachthäusern, setzt sich mit dem Verhältnis von Mensch und Nutztier auseinander und präsentiert Ideen für Bauernhöfe mit Schweinehaltung und -verarbeitung sowie Direktverkauf. Die Ausstellung im Aedes Architekturforum in Berlin findet vom 18. Januar bis zum 5. März 2020 statt.

 

>  Mehr zur Ausstellung «Architektur für Schweine» lesen Sie auf der Website vom Aedes Architekturforum.

 

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