Angst vor Marginalisierung?
Von solider Ausbildung, schlankerem Curriculum und politischen Generalisten
Text + Fotos: Elias Baumgarten – 7.3.2016
«Wir brauchen den politischen Architekten» – Stefan Kuraths Statement zum Ende der Debatte um die Zukunft der Schweizer Architekturausbildung an der HSLU, organisiert von Heike Biechteler und Johannes Käferstein, passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Denn im Laufe des Tages schälte sich die gesellschaftliche Verantwortung der Architekturschaffenden neben dem Wandel des Berufsbilds und den Strukturen von Bachelor- und Masterstudium als wichtigste Frage heraus. Und bei allem Konsens und berechtigtem Stolz angesichts des hohen Niveaus und der Vielfalt der Ausbildung an Schweizer Schulen, wurden bei diesen Themen doch unterschiedliche Positionen sichtbar.
Effiziente Spezialisten oder politisch engagierte Generalisten?
Welche soziale und politische Verantwortung haben Architektinnen und Architekten? Wie können sie diese wahrnehmen und wie kann die Ausbildung an Fachhochschulen und Akademien darauf vorbereiten? Und droht in einer Zeit, da die Bauwirtschaft effiziente Spezialisten zu wünschen scheint, der Verlust des Generalisten-Status und eine Marginalisierung der Disziplin? Diese Fragen tauchten den ganzen Tag über immer wieder auf und wurden sowohl in Kleingruppen als auch im Plenum diskutiert. S AM-Direktor Andreas Ruby warf zum Beispiel provokativ ein, die Architekturausbildung werde zunehmend von der Industrie instrumentalisiert, um «effiziente Arbeitssubjekte» heranzuziehen. Er warnte damit letztlich vor einem fortschreitenden Neoliberalist Turn, der zur Gefahr für Disziplin werden könnte und Widerstand erforderlich macht.
Vielleicht ist die Debatte um die gesellschaftliche Bedeutung der Architektur also als Teil eines grösseren Shifts zu lesen, einem Trend zur Politisierung der Architekturschaffenden, dazu sich einzumischen und zu engagieren. Die Verleihung des Pritzker Prize an Alejandro Aravena, das Metathema der Architekturbiennale 2016 und die Auszeichnung von Assemble mit dem Turner Prize können dafür als beispielhaft angesehen werden.
Berufsbild im Wandel
Die Debatten in grosser Runde und in Kleingruppen zeigten, dass das tradierte Berufsbild derzeit einem Anpassungsprozess unterworfen ist. Dabei liessen sich im Wesentlichen zwei Positionen unterscheiden: Auf der einen Seite diejenigen, die das Curriculum gerne um die Felder Ökonomie und Politik erweitern würden und auf der anderen jene, die es im Sinne einer soliden Grundausbildung lieber schlanker gestalten würden.
Arbeiten nach dem Bachelorstudium?
Ein weiter Hauptschauplatz der Debatte waren die Strukturen von Bachelor- und Masterstudium. Angesichts der vielen Studierenden, welche die Arbeit im Büro einem Masterstudium vorziehen, wurde gefragt, was in Bachelor- und Masterstudium je vermittelt werden solle. Auch hier kristallisierten sich zwei Positionen heraus: Die einen plädierten dafür im Bachelor wesentliche Grundkenntnis zu vermitteln, die bereits zum Wechseln in die Arbeitswelt ausreichen, während andere die Möglichkeit einer berufsbefähigenden Ausbildung in dieser kurzen Zeit grundsätzlich in Abrede stellten.
In diesem Zusammenhang wurde auch «Bologna» kritisch beleuchtet: Ist das Studium seither zu «verschult» und zu einer Jagd nach ETCS-Punkten geraten? Viele Teilnehmer fragten sich auch, ob die Reform wirklich internationalen Austausch fördere und «interdisziplinäre Lebensläufe» ermögliche.
Für die Redaktion war die Veranstaltung besonders interessant und aufschlussreich, weil wir bereits fleissig an der Juni-Ausgabe der archithese über die Zukunft der Architekturausbildung arbeiten. Dabei soll sowohl über die Schweizer Tellerrand hinausgeblickt als auch der Frage nachgegangen werden, was der Begriff «Forschung» im Kontext der Architektur bedeuten könnte. Beide Themen sind am vergangenen Freitag noch im Hintergrund geblieben...