Adresse statt Ort
Die Hochschule Luzern–Musik und das Symphonieorchester der Stadt haben auf dem Areal eines ehemaligen Schlachthofes in Kriens eine neue Heimat erhalten. Dort – an der Peripherie der Stadt – haben Enzmann Fischer und Büro Konstrukt zwei flotte Neubauten für die beiden Institutionen erstellt, die die Kraft haben, künftig Kulturinteressierte anzulocken und damit helfen, das Areal zu einer bekannten Adresse zu machen.
Text: Manuel Pestalozzi – 31. August 2020
Fotos: Annett Landsmann
Wachstum und Wandel
Unter dem Label Luzern Süd werden zahlreiche grössere Bauprojekte zusammengefasst, die in den Luzerner Vorortsgemeinden Kriens und Horw geplant sind, derzeit entstehen oder schon umgesetzt wurden. Die bisher von Industrie- und Gewerbe genutzten Flächen westlich der Allmend von Luzern und nahe der Autobahn A2 gewinnen so an Nutzungsvielfalt und werden verdichtet.
Einen guten Zugang zum Campus bietet die S-Bahnstation Kriens Mattenhof, welche direkt neben der neuen Überbauung gleichen Namens liegt. Die Gleise tauchen dort aus dem Untergrund auf: Seit 2012 führt der Allmendtunnel direkt vom Hauptbahnhof Luzern hierher. Die alte Bahntrasse nördlich der Station ist heute ein breiter Geh- und Radweg. Er führt zu einem Platz vor dem Kulturzentrum Südpol, das seit 2008 in einem ehemaligen Gewerbebau betrieben wird. Dort liegt nun auch der Neubau für die Hochschule Luzern–Musik.
Lernort und «Kraftwerk»
Die neue Musikhochschule hat eine – durch leicht hervortretende vertikale Lisenen gegliederte – helle Klinkerfassade. Sie ist aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen, den die Arbeitsgemeinschaft Enzmann Fischer in Zusammenarbeit mit dem Büro Konstrukt Architekten gewann. Das Planungsteam spricht von einem «Kraftwerk für Musik» und spielt dabei auf die bislang industrielle Nutzung des Standortes an. Das kubische, geschlossene Volumen bietet Vorführungssäle und eine grosse Auswahl an Unterrichts- und Proberäumen für die demnächst erwarteten über 500 Bachelor- und Master-Studierenden und knapp 500 Weiterbildungsteilnehmenden. Eine atriumartige zentrale Erschliessungsachse mit Gemeinschaftszonen durchdringt das klar strukturieren Gebäude vom Vorplatz her. Sie wird flankiert von Schichten mit Nebenräumen und so genannten Klangtürmen: vier Lichtschächte und deren Aufbauten. Hinter diesen als Pufferzonen dienenden Raumschichten wird musiziert. In den mittleren Geschossen ist eine grosszügige, zweigeschossige Bibliothek mit Galerien und Aufenthaltsbereichen untergebracht. Eine sehr breite Auswahl an Oberflächen und Farben sorgt für Abwechslung, für ausgezeichnete akustische Verhältnisse und insgesamt für ein dezentes Ambiente. Die offizielle Eröffnung des Neubaus findet vom 11. bis 13. September 2020 statt.
Oszillierend zwischen Transparenz und Masse
Vervollständigt wird das Dreigestirn des Kampus Südpol vom neuen Orchesterhaus. Auch dieses ging aus einem Wettbewerb hervor, der ungewöhnlicherweise vom selben Team gewonnen wurde, wie die Schule. Der grosse Kubus bietet dem auf Weltniveau spielenden Luzerner Sinfonieorchester und seinem Musikvermittlungs-Angebot einen weiteren Stützpunkt. Das Orchesterhaus dient Proben in Sinfoniebesetzung und wird auch öffentlich für Kammermusik und Matineekonzerte zugänglich sein. Zudem können die Proberäume gemietet werden. Das Haus erhebt sich über einem Parkplatz auf der Strassenseite des Areals. Die unterste Etage ist ein offenes Parkgeschoss, das wie ein Betontisch den Metallkubus mit Proberäumen und dem Orchestersaal in die Höhe stemmt. Mit seiner profilierten, spiegelblanken Blechfassade hat der Neubau einen ambivalenten Ausdruck. Mal wirkt es geschlossen, massig, schwerfällig und technoid. Aber sobald die Wetterstimmung wechselt dann auch transparent, mystisch, leicht und heiter. Ähnlich spannend ambivalent wirkt die Fassadengliederung. Sie deutet an, dass auf niedrigen Etagen der Hohe Saal thront. Mal wirkt das schwerfällig und beinahe erdrückend und dann wieder beschwingt, so als würde der Saal in den Himmel abheben. Zugleich etabliert das Metallkleid – «billig» und gewalzt – eine Brücke zu den Materialien der umliegenden Industriebauten.
Vom Label zur Adresse
Grundsätzlich ist auch das Orchesterhaus ähnlich schlicht gehalten, wie die Musikschule. Auch im Innern verströmt eine direkte Materialisierung einen Industrieflair. Zugleich hat es aber grosszügige Gesten, die begeistern: Der prächtige
Übungssaal mit seiner Galerie ist vollständig mit Eichenholz verkleidet. Ein grosses Fenster öffnet den Blick auf den nahen Hausberg Luzerns, den Pilatus. Der Neubau kostet rund zehn Millionen Franken, die zu 90 Prozent von Privatspenden und Crowdfunding aufgebracht wurden. So wurde beispielsweise die Massivholzoberfläche von einer einzelnen Person gespendet. Das zeugt von der Begeisterung der Bevölkerung für Ihr Symphonieorchester. Luzern ist eine Musikstadt von Weltrang. Der neue Orchestersaal ist ein gelungener Baustein, diese Stellung zu festigen. Und zugleich ist es gelungen mit diesem neuen Kulturbau den Ort Luzern Süd aus einem Label eine Adresse zu machen.