A Happy House
Umbau und Instandsetzung einer Doppelhaushälfte in Zürich-Oberstrass von Conen Sigl Architekten
Mit wenigen Eingriffen in die vorhandene Raumstruktur schufen die jungen Zürcher Architekten Platz für den eigentlichen Innenausbau, der mit Farbe, Material und Handwerklichkeit eine ganzheitliche Raumwirkung herstellt.
Erschienen in archithese 1.2014 Swiss Performance, S. 84–85.
Im frühabendlichen Halbdunkel bietet die Stadt dem Spaziergänger am meisten. Das Restlicht genügt, um draussen noch das Nötigste zu erkennen; gleichzeitig ermöglichen die erleuchteten Innenräume den Blick in die Tiefe der Häuser. An den Hängen von Zürich-Oberstrass reihen sich frei stehende Stadthäuser auf, die in ihrer zurückhaltenden Aussenerscheinung den heimatlichen Stil wahren. Jedoch verrät die Wohnungsbeleuchtung am Abend bourgeoise Insignien im Inneren – wie Stuckaturen oder Wandverkleidungen.
Im Hochparterre eines dieser Bürgerhäuser zeichnet sich neuerdings das kräftige Grün einer im Oval lackierten Decke ab, die an ein historisches, holzvertäfeltes Nachbarzimmer angrenzt. Das kontrastreiche Nebeneinander entstand beim Umbau einer Doppelhaushälfte von 1914 durch Conen Sigl Architekten. Auf die bürgerlich-repräsentative Wohnumgebung reagierten sie mit einer frechen und dabei äusserst präzisen Farbkur, die dem Haus seine verloren gegangene ganzheitliche Raumordnung zurückgab. Der Bezug zum Bestand wird somit architektonisch und ohne Nostalgie hergestellt.
Von aussen blieb das von einem markanten Steildach dominierte Haus unverändert. Im Gebäudeinneren hingegen sahen sich die Architekten angesichts der wirren Umbauten aus den Siebzigerjahren – mitsamt einer sperrigen Aufteilung in zwei Wohnungen – in der Verantwortung, das Haus in seine historische Einteilung zurückzuführen. Neben dieser Konsolidierung genügten den Architekten wenige präzise Eingriffe in die Gebäudestruktur, um die alte Kammerung in eine zeitgenössische Wohnfigur zu überführen.
Ein mittig in der Wand zwischen Küche und Esszimmer angeordneter Durchbruch bindet die ehemalige Nebennutzung «Kochen» an das Wohnen an. In Analogie zum enfiladeartigen Übergang vom Wohnzimmer im Erker zum Esszimmer reiht sich nun auch die Küche und – durch eine neue Sitztreppe hinab zum Garten – der Aussenraum an die anderen Räume. Diese neue Raumsequenz versinnbildlicht die Bedeutungsverschiebung von dem zur Strasse gewandten, repräsentativen Erkerzimmer hin zum intimeren Familienbereich in Richtung Garten.
In den beiden darüberliegenden privaten Geschossen waren kaum Rohbaueingriffe nötig. Einzig das prächtige Bibliothekszimmer, das strassenseitig die volle Gebäudelänge einnimmt, erfuhr durch das neue Cheminée aus schwarzem Marmor und eine verbreiterte Doppeltür eine Monumentalisierung und damit eine räumliche Neugewichtung als Repräsentationsraum im Haus.
Was alle Geschosse verbindet, ist die hochstehende handwerkliche Durcharbeitung aller Flächen und Details. Als Referenzpunkt diente das Erkerzimmer im Erdgeschoss mit seinem historischen Parkett und den feinen Holzarbeiten. Dessen Gediegenheit erreicht in verschiedenen Abstufungen nun alle Räume. Schreinereinbauten in der Küche und in den privaten Zimmern knüpfen mit gefalteten Messinggriffen an die historischen Materialien an; kontrastreiche Fliesenmuster beziehen sich auf das Geflecht des Holzparketts.
Statt Schmuckelemente direkt zu zitieren, verwenden Conen Sigl Architekten hochwertige Materialien und kräftige Farben, um den Raum auch auf der Wahrnehmungsebene zu prägen und zu gestalten. Damit übersetzen sie historische Elemente wie Stuckaturen in eine eigenständige räumlich wirksame Ordnung. Waren beim früheren Umbau die geklebten Teppiche und Raufasertapeten noch als Wand- und Bodenverkleidung einzustufen, durchdringt das Haus nun eine kohärente Logik der Raumbekleidung.
Allem voran prägen die neu gestalteten farbigen Deckenspiegel den Raumeindruck der so bearbeiteten Zimmer. Über dem Esszimmer befindet sich ein Oval in Grün, den Eingang bekrönt ein roter Kreis, an der Decke der Bibliothek schimmert ein tiefschwarzes Rechteck. Diese satt lackierten Flächen sind analog zu den Stuckaturen leicht in die Deckenfläche versenkt und erzeugen eine Aufweitung der oberen Raumgrenze im jeweiligen Farbspektrum. Der Farbeindruck prägt die Räume, ohne sie zu dominieren. Erst beim Betreten wird nämlich der jeweilige Farbton sichtbar, der einem vom Nachbarzimmer aus verborgen bleibt.
Immer wieder unterstreichen und inszenieren die farbigen Oberflächen auf Boden und Decke die Übergänge von Raum zu Raum. Mithilfe dieser Farb- und Materialsequenzen überführen die Architekten die so bearbeiteten Räume aus der bürgerlichen Gediegenheit in eine zeitgemässe Wohnumgebung. Gleichzeitig vermeidet der Umbau trotz oder gerade aufgrund der markanten Raumbekleidung ein Auseinanderbrechen in Alt und Neu, das man, von der Strasse aus besehen, erwarten könnte. Vielmehr besticht der Innenumbau durch seine vielfältige und zugleich durchgängige Raumwirkung.
Die Redaktion
Architektur: Conen Sigl Architekten, Zürich; Bau- und Projekt leitung: Maria Conen, Raoul Sigl, Lena Unger.
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> Der Artikel ist ursprünglich erschienen in archithese 1.2014 Swiss Performance.