Bricolage, Collage und Montage sind verwandte Begriffe und bezeichnen Techniken, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts Kunst und Architektur geprägt haben. Dadaismus, Kubismus, Konstruktivismus, Surrealismus, Moderne, Postmoderne und Dekonstruktivismus – Vertreter dieser Avantgardeströmungen haben sich der Gegenüberstellung oder Überlappung von Ähnlichem, Gegensätzlichem oder gar Widersprüchlichem bedient. ( Dass diese Techniken bereits in der Antike – etwa bei der Villa Adriana –, in der Revolutionsarchitektur und im Historismus verwendet wurden, klammern wir hier einmal aus. ) Diese Strömungen in einem Atemzug zu nennen, mag befremdlich wirken, erscheinen sie doch ästhetisch und inhaltlich auf den ersten Blick mitunter fundamental verschieden. Das liegt daran, dass sie sich beim Collagieren unterschiedlicher «Bausätze» bedienten. Auch hinsichtlich ihrer Intention – inwieweit die zusammengesetzten Werke als neue Einheit, als brüchig oder gar auseinanderstrebend wirken sollten – unterschieden sie sich stark.
Die Ausstellung Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA, die in den vergangenen Monaten an verschiedenen Standorten zu sehen war, zeigte eindrücklich, dass es beim Collagieren nicht immer um das Fragmentarische, sondern auch um die Komposition gehen kann. Mit dieser Technik ist es möglich, traditionelle und avantgardistische Aspekte im Sinne eines widersprüchlichen Doppeldenkens zu vereinen.
Die Collage ist also ein höchst ambivalentes Ding. Mit ihrer Hilfe kann man Trennen oder Verbinden, Brüche aufzeigen oder gar erst produzieren. Sie kann high und low, das « Klassische » mit dem « Modernen », das sorgsam Ausgearbeitete mit dem Gefundenen zusammenbringen oder es als Gegensatz manifestieren, Kontinuität darstellen oder zu Veränderung aufrufen.
Die Redaktion entschied sich in der vorliegenden Ausgabe für einen klaren Fokus auf das Hier und Jetzt, denn aktuell haben Verschneiden, Zitieren und Collagieren als Technik in der Architektur wieder Konjunktur. In Entwürfen und Projekten fallen vielerorts sowohl poppige Collagen aus Elementen der Trivialkultur, dreckige Bricolagen aus Alltäglichem und mitunter billigen Materialien, aber auch Zitate baugeschichtlicher Formen, welche auf die Hochkultur verweisen, auf. Man kann das Interesse am Überlappen und Artikulieren von Gegensätzlichem in die erwähnte jahrhundertelange Tradition einordnen. Man kann es aber auch als ödipale Ablehnungshaltung gegenüber den vielen Projekten lesen, die grob umrissen in den vergangenen 30 Jahren – vor allem nach Stabilität und Kohärenz gesucht haben. Worum geht es den Architekturschaffenden heute? Vor allem möchten sie Architektur – und dabei sowohl deren Entstehungsprozess als auch deren Artefakte – als in einen zeitlichen Verlauf eingebettet darstellen. Sie akzeptieren oder feiern Vielschichtigkeit und versuchen diese räumlich und formal abzubilden. Jedoch zeigen sich neue, feine Nuancen darin, wie stark das Zusammengesetzte als neue Einheit oder Nebeneinander einer Vielheit gelesen werden kann und soll. Man mag geneigt sein, einige Arbeiten als Revival der Architektur-Postmoderne zu deuten, vor allem, weil das Moment von Überraschung und Überzeichnung wieder häufig zu sehen ist. Doch sehen die Protagonisten längst auch die Werke der Moderne als Repertoire an, aus dem sie schöpfen. Auffällig ist zudem, dass es ihnen – anders als ihren Kollegen in den 1970er bis 1990er-Jahren – weniger um das Zelebrieren von Brüchen geht. Viele aktuelle Projekte zeigen keine verlorene oder kaputte Welt, der mit Ironie, Zynismus oder Ernst nachgetrauert wird. Stattdessen präsentieren sie eine der kulturellen Kontinuität und Akkumulation, in der verschiedene Generationen dem Gebauten Schicht um Schicht hinzugefügt haben.