Architektur, die [fem.]
Dieses Sonderheft der archithese ist einem Thema gewidmet, dem trotz aller Anstrengungen von politischer und privater Seite noch immer eine aussergewöhnliche Rolle zukommt. Komplementär zu Heft 2.2016 Bildungslandschaften konzipiert, widmet es sich Fragestellungen, Positionen und Rahmenbedingungen, welche die Rollen von Frauen im Architekturbetrieb betreffen.
Ein Status quo, der beschämt
Politische Organisationen, Institutionen und Parteien hefteten sich in den letzten Jahren Parolen für die Gleichberechtigung auf ihre Fahnen. Ist es für die einen lediglich ein Lippenbekenntnis, so ist es für die wenigsten ehrlich gemeinte Überzeugung. Der Frauenanteil bei Wissenschaftlerinnen an Schweizer Architekturausbildungsstätten ist gering. Einem fast ausgeglichenen Verhältnis von Studentinnen zu Studenten stehen nur wenige weibliche Professorinnen und Dozentinnen gegenüber. Diesem traurigen Umstand Rechnung tragend initiierte eine Gruppe von Mitgliedern des «Mittelbaus» am Departement Architektur der ETH Zürich eine Aktionsgruppe, um innerhalb der Abteilung an der renommiertesten Hochschule Kontinentaleuropas tätig zu werden. Mit den Parity Talks, einem zweitägigen Symposium im März 2016, erfolgte ein erster Schritt, um die Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter auf allen Stufen des Departements zu stellen und so das drängende und essenzielle Thema im Hochschuldiskurs zu verankern.
Von der Sichtbarkeit gleichberechtigter PartnerInnen
Wir vereinen in diesem Sonderheft Essays, in welchen sich Autorinnen der Thematik auf unterschiedlichsten Ebenen annehmen und eine Auswahl an Porträts von Frauen, die im Bereich Architektur erfolgreich tätig sind.
Hélène Frichot berichtet über veränderte Methoden in der Architektinnenausbildung und im Beruf. Julie Mongodin analysierte die Situation der Frauen am Departement Architektur der ETH Zürich und geht dem Phänomen der gläsernen Decke in der Karriere von Wissenschaftlerinnen und Entwurfsprofessorinnen nach. Sylvia Claus und Bettina Köhler betrachten aus eigener Anschauung, was es bedeutet, «ihre Frau» im Wissenschaftsbetrieb zu stehen. Dörte Kuhlmann blickt auf die beispiellose Karriere der bislang einzigen Stararchitektin, Zaha Hadid, und resümiert ihre Stellung innerhalb einer Männerndomäne. Abschliessend präsentieren wir die analytische Untersuchung und brilliante Interpretation von Beatriz Colomina über das Haus E.1027 der Architektin Eileen Gray.
Geht es um die Zusammenstellung einer Jury, einer Kommission oder die Neubesetz ung eines Lehrstuhles, vernimmt man nicht selten das Argument, dass sich keine geeignete Fachkollegin finden liess. Dass es sie dennoch gibt, engagierte und kreative Frauen, sei mit einer kleinen Auswahl, den Porträts von jungen, aufstrebenden Architektinnen, Planerinnen und Wissenschaftlerinnen, widerlegt.
Der Umfang dieses Heftes würde bei Weitem gesprengt, hätten wir die gesamte Schweizer women power präsentieren wollen. Wir wünschen uns, dass die Porträts ihre Wirkung nicht verfehlen und so mancher Frau im Architekturbetrieb zur wichtigen Sichtbarkeit verhelfen.
Charlotte Malterre-Barthes und Harald R. Stühlinger